„Bullen sind Mörder“

Das ist in Leipzig seit Jahren in großen Lettern an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet zu lesen, auch dann schon, als die rot-grüne Regierung in Deutschland noch von Angela Merkel geführt wurde und der Innenminister noch Horst Drehhofer hieß.

Ich bringe es nicht über mich, Menschen zu verunglimpfen, sonst würde ich im Sinne eines gesellschaftlichen Experiments „Flüchtlinge sind Mörder“ direkt unter diesen Spruch sprühen. Wollen wir wetten, dass DIESER Hassspruch nach spätestens 24 Stunden entfernt wäre. Das durchzusetzen, dazu wäre die verunglimpfte, ver- und gehetzte Polizei dann wieder gut genug. Wahrscheinlich müsste sie die ganze Straße absperren und akribisch nach DNA-Spuren suchen.

Interessant an diesem Experiment wäre also, wie lange die Entfernung des zweiten Hassspruchs dauert und ob – das traue ich dieser gestörten, sich selbst hassenden deutschen Gesellschaft zu – die erste Parole („Bullen sind Mörder“) dann trotzdem stehen bleibt. Ich habe in Leipzig auch schon gelesen: „Bullen töten!“ Das blieb monatelang an Häuserwänden in riesigen Buchstaben stehen.

Sind Polizisten in Deutschland „Untermenschen“, handelt es sich bei ihrem Leben um lebensunwertes? Oder wie sonst ist das zu erklären? Und nun grübeln alle und wundern sich, wie es zu dieser menschenverachtenden Gewalt gegenüber Polizisten zu Silvester in deutschen Großstädten kommen konnte.

Und wenn in vielleicht 20 Jahren die entwirrte Jugend fragen wird: „Habt ihr es denn nicht gesehen? Habt ihr es denn nicht gewusst?“, werden ihre Eltern und Lehrer sagen: Nein, das konnten wir doch nicht wissen. Und monatelang sind sie an diesen Schmierereien vorbei gegangen. Der Mitte-Strom der Gesellschaft samt staatlicher Institutionen und lokaler wie überregionaler Medien hatte sie hingenommen, nichts Besonderes dabei gefunden.

Und das in Sachsen unter einer CDU-geführten Regierung mit einem CDU-Innenmister. Ich bin gespannt, wie lange es erlaubt bleibt, öffentlich zum Menschenhass aufzurufen, solange es nur die Eigenen und Deutsches betrifft. Ich beobachte das und sage Ihnen – in sagen wir einem Monat – Bescheid, ob diese Hassbotschaften in Leipzig immer noch an Häuserwänden prangen.

7 Kommentare zu “„Bullen sind Mörder“”

  1. Zufälliger Besucher sagt:

    Eine Diskussion kann wohl nur in Angriff genommen werden, wenn man erst einmal ruhig durchatmet, jegliche Reflexgedanken ignoriert und Emotionen beiseite lässt. Danach sollte man sich ernsthaft fragen: „Welche Umstände könnten dazu führen, eine Aussage wie „Bullen sind Mörder“ zum einen für plausibel zu halten und zum anderen für wichtig genug, sie einer breiten Öffentlichkeit kund zu tun?“
    Die Antwort darauf scheint dann plötzlich sehr komplex. Eine gesellschaftliche Diskussion darüber ist dringend notwendig. Die Reduzierung auf eine „respektlose Jugend“ ist dabei sehr wenig hilfreich und erfasst weder die Ursachen noch führt sie zu einer notwendigen Lösung. Eine weitere Eskalation wird da nicht ausbleiben.
    Um das Thema „Bullen töten!“ in Leipzig zu beleuchten, sollte eine Recherche zu „Oury Jalloh“ hilfreich sein, es kann allerdings auch als Aufruf im Fußballkontext gesehen werden, Rasenball Leipzig hat da wohl aufgrund seines Hauptsponsors mit ein paar Ressentiments zu kämpfen 😉 Kommt halt drauf an, wer es wo und in welchem Zusammenhang sprüht. Wie immer, nicht einfach zu beantworten, das Thema ist komplex.

    Mein Leben hat mich eins gelehrt: Einfache Antworten auf komplexe Themen haben meist eins gemeinsam. Sie sind falsch und bedienen eher die simplen Gemüter.

    1. Karl sagt:

      Wenn wir nur komplex und differenziert genug an ein Problem herangehen, lassen sich immer Gründe finden für eine Position und auch ihr Gegenteil, also zum Beispiel auch dafür, dass „Flüchtlinge Mörder sind“. Dabei ist es ganz einfach: Keine Gewalt, weder körperliche noch verbale. Keine Gewalt, die über die pure Notwehr hinausgeht, egal welche Gründe für welche angeblichen Ungerechtigkeiten gesucht und genannt werden.

      Im Herbst 1989 sind in Leipzig ungefähr 70 000 Menschen um den Ring gezogen, und nicht eine einzige Schaufensterscheibe ging zu Bruch. Hatten die Demonstranten damals etwa keinen Grund, sich über Ungerechtigkeiten aufzuregen?

      Und dann wieder der typische Denkfehler: Einfache Antworten seien falsch. Der führende DDR-Psychologe Friedhart Klix hatte, unter anderem in seinem Buch „Erwachendes Denken“, herausgearbeitet, dass die Entwicklung des Denkens vom Komplizierten, Umständlichen zum Einfachen führt und dies an Einsteins genial kurzer Formel für die Relativitätstheorie gezeigt.

      Ebenso genial kurz und einfach ist die Formel „Keine Gewalt!“, die die Revolutionäre zum Ende der DDR in gesellschaftliche Realität umgesetzt haben. Sie haben damit auch dazu beigetragen, dass von Seiten der „bewaffneten Organe“ (Polizei, Kampfgruppen, Armee, Staatssicherheit), insgesamt bestimmt Zehntausende mit scharfer Munition, bei dieser Demonstration nicht ein einziger Schuss gefallen ist.

      Auf so eine Demonstrationskultur bin ich stolz, die im eklatanten Gegensatz zur Gewalt steht, die heute bei aufgeregten Demonstrationen in Deutschland üblich ist, eine Gewalt, der in aller Regel entschieden mehr Polizisten („Bullen“) zum Opfer fallen als Demonstranten.

      1. Zufälliger Besucher sagt:

        Ja, als überzeugter Pazifist ist es in den jetzigen Zeiten nicht einfach, die eigenen grundlegenden Überzeugungen in einer Diskussion aufrecht zu erhalten. Mir selbst hilft es aber sehr viel in einer gewissen logikgesteuerten Deduktion zu verharren, um über Dinge nachzudenken, die meinen Überzeugungen widersprechen und in mir einen gewissen „Beißreflex“ in einer Diskussion hervorrufen.
        Ja, man kann natürlich seinem absoluten Unverständnis gewisser Dinge Ausdruck verleihen und eine steile Gegenthese aufstellen. Aber ich würde dann fragen: „Was genau bringt das?“ Weil weder ist das eigene Verständnis für das Problem danach irgendwie weiter entwickelt, noch gibt es dann Möglichkeiten einer differenzierten Diskussion.

        Das Beispiel mit den Demonstrationen zur Wendezeit finde ich recht gut. Allerdings gibt es da auch sehr einfach auszumachende Unterscheide in der staatlichen Gewaltenteilung, dem Verhalten der Ordnungskräfte und der Triebkraft der Demonstrationen zu den, ich nenne es jetzt einfach mal „Scharmützeln“ der heutigen Zeit. Über die Art, der Menge, Qualität und Geschwindigkeit der Berichterstattung darüber möchte ich gar nicht erst anfangen. Aber es zeigt, das Problem ist in der Tat komplex.

        Klix war leider durch seine enge Verbundenheit zum DDR-Regime leider der allgemein vorherrschenden Demagogie unterworfen. Ein Schlüssel für Propaganda ist es leider, auf komplexe Fragen sehr einfache Antworten zu liefern. Dementsprechend ist sein Schluss zwar logisch, aber falsch. Ein physischer Fakt, wie Einsteins Theorie ist deshalb so einfach, weil er ein physikalisches Grundprinzip beschreibt. Ein Grundprinzip sind physikalische Selbstverständlichkeiten. Der Beweis Ihrer selbst ist hingegen meist sehr kompliziert. Die Aussage ans sich ist hingegen sehr einfach. Gesellschaftliches Miteinander lässt sich aber nicht auf einige Grundprinzipien aufgrund der Komplexität des menschlichen Geistes reduzieren.

  2. Karl sagt:

    „Steile Gegenthesen“ bringen das Denken in Schwung, wir gehen nicht im Gewohnten, Üblichen umher, sondern überwinden seine Grenzen. Das bringt das Aufstellen von Anti-Positionen des angesagten Denkens bzw. das kann es zumindest bringen.
    Ich hatte ja schon eine andere Üblichkeit des Denkens, die Sie vertreten hatten, lieber zufälliger Besucher, dass nämlich die Jugend schon immer keine Manieren hatte, selbst in der Antike nicht, mit einer unüblichen Gegenthese in Frage gestellt.
    Ich bleibe dabei: Was wirklich bis zu Ende erkannt ist, ist auch „einfach“, die These also eines „Vereinfachers“. Das trifft im gesellschaftlichen Kontext auf „Keine Gewalt!“ zu oder auf „Das Eigene kommt vor dem Fremden“ (weil nur dann das Fremde gewertschätzt werden kann). Eltern, die ihre eigenen Kinder nicht lieben und zuerst beschützen, können auch nicht freundlich mit fremden Kindern umgehen.
    Das entspricht einer sinnverwandten „großen Vereinfachung“, die in der Bibel steht: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Mit anderen Worten, du kannst ihn nur dann lieben, wenn du dich auch selbst liebst. Ich glaube, mit der Selbstliebe haben speziell die Deutschen ein großes Problem.
    Es kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein, dass Sie aus dem Anschein, dass sich Friedhart Klix mit der DDR arrangiert hatte, schlussfolgern, dass eine seiner wichtigsten Erkenntnisse nicht zutreffen würde, nämlich den Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Denkens und dem Finden von Darstellungsformen, die ein komplexes Geschehen immer einfacher und übersichtlicher abbilden, erkannt zu haben.

  3. Meta sagt:

    Alles Geniale ist einfach, weil es wirklich „bis zu Ende erkannt“ ist? Alle von Demagogien umzingelten Erkenntnisse sind per se falsch? Jungs, da hab ich denn doch mal ein paar Fragen: Kann denn ein Phänomen, ein Zusammenhang jemals end-gültig erkannt sein? Selbst die genialste Idee kann doch die Tatsache nicht außer Kraft setzen, dass sie vorläufig ist. Gibt es nicht auch einen Grad der Vereinfachung, der in Dummheit umschlägt? Sind wir mit dem frappierend schlichten Satz „Das Eígene kommt vor dem Fremden.“, der doch eigentlich nur eine starke Behauptung ist, wenigstens in der Nähe einer relativen Wahrheit angekommen? Gibt es nicht z.B. auch Eltern, die mit ihrer eigenen Brut fremdeln, aber mit fremden Kindern ein inniges Verhältnis haben? Kann man nicht auch aus Liebe zur eigenen Kultur und Herkunft unbarmherzig mit ihren Entgleisungen hadern? Ist eine Erkenntnis schon deshalb falsch, weil sie ideologischer Beeinflussung ausgesetzt war? Sieht man nicht die Zeichen einer ideologischen, demagogischen, agitatorischen Einfärbung von Erkenntnissen viel eher bei „den Anderen“, während man dafür im eigenen Lager betriebsblind ist? Das hab ich mich z.B. immer bei der Dichotomie Rechtsstaat – Unrechtsstaat gefragt. Das Urteil über „die andere Seite“ fällt in der Regel sehr holzschnittartig aus, während man die eigenen Überzeugungen mit feinem Kupferstich darstellt.

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